An(ge)dacht

von Pfarrerin Ute Waffenschmidt-Leng | März 2023

„Wer sollte uns von der Liebe Christi trennen? Unterdrückung, Angst, Verfolgung, Hunger, Obdachlosigkeit, Gefahr oder politische Verfolgung, die mit dem Tod endet?“
Römer 8,35 

Liebe Gemeinde,

 

hes braucht Vergewisserung! Das war offenbar schon zu Zeiten des Apostels Paulus so. Seine Aufzählung von schlimmen Erfahrungen erdrückt – wie heute die Nachrichten erdrücken, wenn wir sie an uns heranlassen; wie heute persönliche Erfahrungen von Leid, Angst, Existenznot erdrücken. 


In solchen Erfahrungen ist verzweifeltes Fragen normal: Wo bist du Gott?  Bist du wirklich da? Wo ist deine Liebe, die in Jesus so lebendig war? Schlimme Erfahrungen können einen Keil treiben zwischen uns und das Vertrauen, das wir einmal hatten, zwischen uns und die Hoffnung, die uns eben noch getragen und beflügelt hat. Die Seele wird müde in solchen Erfahrungen… 


Es braucht Vergewisserung! Das hat Paulus offenbar auch gespürt – und findet Worte und Argumente, die die Gemeinde in Rom trösten und stärken sollen – und, wer weiß, ihn selbst auch?!   


Es müssen starke Worte sein, Worte, die der Verzweiflung standhalten, Worte, die nun wiederum einen Keil in die Hoffnungslosigkeit treiben. Starke Worte – das sind nicht rhetorische Meisterleistungen – wohlgefeilt, mit Lust aufgeschrieben und vorgetragen. 


Starke Worte sind Worte, die standhalten – die die Realitäten nicht ausblenden oder übergehen, als fielen sie nicht ins Gewicht. Es sind Worte, die tragen – mitten im Leid, mitten in der Verzweiflung… Und: durch Leid und Verzweiflung hindurch. Es sind allermeist Worte von Menschen, die erlebt haben, dass Gott da ist, mitten in verzweifelten und ausweglosen Situationen, dass Gott mitgeht auf Wegen, die sie lieber vermieden hätten. Sie spürten in allem eine Kraft, die ihnen erstaunlichen Mut gab und eine tiefe Gewissheit, die ihnen eine bis dahin nicht gekannte Freiheit schenkte – die Freiheit, Widerstand zu leisten und sich zu ergeben.  


Jesus hat diese erstaunliche Kraft erlebt – sie hat ihn begleitet, auch auf dem Weg, der ins Leiden führte, weil die Mächtigen Angst hatten, dass es viele werden könnten, die leben wollten, was Jesus vorgelebt und als wichtig gepredigt hatte: Barmherzigkeit und Gerechtigkeit und Friedfertigkeit und die Möglichkeit des guten Lebens für alle! Und diese Kraft Gottes hat ihm neues Leben geschenkt – durch den Tod hindurch. So bezeugen es die, die ihn lebendig erlebt haben.
Dietrich Bonhoeffer hat diese erstaunliche Kraft erlebt – sie hat ihn gestärkt, den Weg des Widerstands gegen die Nazi-Diktatur und all ihre bewussten Unterstützer und willfährigen Mitläufer einzuschlagen und ihn konsequent zu gehen; sie hat ihn begleitet in tiefster Verzweiflung und ihm ein Empfinden tiefen Geborgenseins geschenkt. „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“ Worte, die tragen? 


Manchmal brauchen wir die Worte anderer. Manchmal können wir uns selbst nichts mehr sagen, was einen Keil in die Hoffnungslosigkeit treibt. Wie gut, dass immer wieder Worte von außen auf uns zu kommen, die uns vergewissern: „Ich bin gewiss: Weder Tod noch Leben, weder himmlische noch staatliche Mächte, weder die gegenwärtige Zeit noch das, was auf uns zukommt, weder Gewalten der Höhe noch Gewalten der Tiefe, noch irgendein anderes Geschöpf können uns von der Liebe Gottes trennen, die im Messias Jesus lebendig ist.“  (Römer 8,38+39 Bibel in gerechter Sprache)
Eine gute Passions- und Osterzeit wünsche ich Ihnen!


Ihre
Ute Waffenschmidt-Leng

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