An(ge)dacht

von Pfarrerin Ute Waffenschmidt-Leng | September 2023

„Seid nun Täter des Worts und nicht Hörer allein; sonst betrügt ihr euch selbst.“
Jakobus 1,22

Liebe Gemeinde,

 

reden kann man viel, wenn der Tag lang ist! So sagen Menschen, die enttäuscht sind und es schwer haben, noch etwas zu glauben. Sie sagen: Das habe ich zu oft erlebt, dass mir etwas versprochen und dann nicht gehalten wurde; dass die da oben Versprechungen machen, die sie dann nicht einlösen… 

 

Solche Erfahrungen kennen wir alle, denke ich, und auch die Enttäuschungen, die damit verbunden sind. Sie sitzen tief und sie zerstören das Vertrauen. Zerstörtes Vertrauen aber ist Gift in den Bezügen, in denen wir leben: in den privaten, in den beruflichen und in den gesellschaftlichen. Wir wissen das; wir haben das schon schmerzlich erlebt. Und zerstörtes Vertrauen lässt sich nur ganz schwer wieder herstellen.

 

Dass wir uns verlassen können, ist also essenziell nötig für ein gelingendes Miteinander in unseren Beziehungen und Lebensgemeinschaften, in den Institutionen, in denen wir unterwegs sind und uns engagieren, und auch in unserer gesellschaftlichen Demokratie.  

 

Dem Verfasser des Jakobusbriefes war das offenbar auch bewusst. Vielleicht erlebte er auch, dass die christliche Gemeinde in besonderer Weise auf ihre Glaubwürdigkeit hin angesehen wurde. ‚Seid nun Täter des Worts…’ schreibt er.

Ich glaube, auch heute ist das so: dass Menschen von Kirche und Gemeinde erwarten, dass sie, was sie glauben, auch glaubwürdig leben. Und sie erwarten es mit Recht! 


Der Verlust an Glaubwürdigkeit hat Folgen: Menschen kehren den Kirchen ihre Rücken zu. Das ist keine gute Entwicklung. Nicht nur, weil die Institution gefährdet ist, sondern ich bin fest davon überzeugt, dass unsere Gesellschaft und unsere Welt die biblischen Visionen von Frieden und Gerechtigkeit, von Hoffnung, die über das Sichtbare hinausgeht, brauchen. Unsere Gesellschaft braucht die Stimme, die den Mund auftut für die Stummen; sie braucht die Stimme, die die Träume vom Recht lebendig hält und dass das Recht für alle gelten soll. Sie braucht die Stimme, die allen Verzweckungen den Wert der zwecklosen Schönheit entgegensetzt; sie braucht die Visionen von einer gerechten und friedvollen Welt, damit wir selbst uns nicht abfinden mit dem, was ist… Darum ist der Verlust der Kirchen an Glaubwürdigkeit mehr als traurig. 

Umso wichtiger, die Stimme des Jakobus-Briefes zu hören: „Seid nun Täter des Wortes…“  

 

Ich wünsche Ihnen wohltuende und heilsame Erfahrungen mit der Glaubwürdigkeit. 

 

Ihre
Ute Waffenschmidt-Leng

get connected