An(ge)dacht

von Pfarrerin Ann-Kristin Scholl | Mai 2024

„Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein.“
– 1. Mose 12,2

Gesegnete Abschiede und Neuanfänge 

 

Gott schreibt Geschichte. Auch diesmal.

Ein Mann und eine Frau – hochbetagt – wagen einen Neuanfang. Nicht aus freien Stücken, sondern weil Gott es so will. Abram und Sarai machen sich auf den Weg in ein neues Leben. Sie nehmen Abschied aus ihrem vertrauten Umfeld, ihrer Heimat, von ihren Lieben. Sie ziehen fort in ein unbekanntes Land mit nichts als einer ungewissen Verheißung im Gepäck: „Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein.“ (vgl. 1. Mose 12,2) Das ist die Geschichte, die Gott schreibt. Der Weg der beiden ist alles andere als geradlinig. Durch Lebenshöhen und Lebenstiefen gehen sie. Wann kommt das neue Land? Und wann kommt das versprochene Kind? Abram und Sarai gehen viele Umwege – äußerlich und innerlich. Am Ende wartet Gott auf sie: Er schenkt ihnen das verheißene Land, er schenkt ihnen das verheißene Kind. Und: Er schließt einen Bund mit ihnen, der Geschichte schreibt. Gott segnet Abram, Sarai und sein ganzes Volk. 

 

Ungefähr 2000 Jahre später. Gott schreibt Geschichte. Auch diesmal. 
In Jerusalem versammeln sich die Anhängerinnen und Anhänger des Nazareners Tag für Tag. Erfüllt sind sie von einem Aufbruch in ein neues Leben. Der Auferstandene war 40 Tage lang mitten unter ihnen. Er aß mit ihnen, lachte mit ihnen, trank mit ihnen fast so wie früher, wären da nicht die Wundmale gewesen. Gezeichnet von den dunklen Tagen war er mitten unter ihnen als der Lebendige.
Als die 40 Tage vorüber waren, stieg er mit seinen Anhängerinnen und Anhängern auf einen Berg, den Ort der Gottesbegegnung. Dort, so heißt es, hob der Auferstandene die Hände und segnete sie. Er segnet sie zum Abschied, er segnet sie an einer Schwelle und verlässt sie (vgl. Lk 24,50). 
Ohne den Lebendigen, aber als Gesegnete, kehren sie zurück in ihr Leben und warten ganze 10 Tage lang. Und dann passiert nie Dagewesenes. Das neue Leben erfüllt sie, die Geistkraft durchdringt sie und sie können nicht anders: Sie ziehen aus in ihr neues Leben, ziehen aus in die Welt. Sie taufen jede und jeden, der sich von der Zusage berühren lässt: 

»Ändert euer Leben! Lasst euch alle taufen im Namen von Jesus Christus. Dann wird Gott euch eure Schuld vergeben und euch den Heiligen Geist schenken. Diese Zusage gilt für euch und eure Kinder. Und sie gilt für alle in den fernen Ländern – so viele der Herr, unser Gott, noch zum Glauben an Jesus hinzurufen wird.« (Apg 2,38-39) 

 

Wiederum 2000 Jahre später. Gott schreibt Geschichte. Auch diesmal. 
Hier und jetzt. Schwellenmomente gehören zum Leben dazu: Kleine und große Abschiede, kleine und große Neuanfänge. Liebgewonnenes loslassen müssen und einen neuen Anfang wagen kann ambivalente Gefühle in uns auslösen: Trauer über das, was nicht mehr ist und Vorfreude auf das, was kommt. Dankbarkeit für das, was war und Angst vor dem, was sich ändern wird. In alldem schreibt Gott Geschichte mit uns und mitten unter uns. Er sagt uns zu: „Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein.“ Eine Glaubenszusage so alt wie aktuell. 

Mich begleitet diese Zusage seit meiner Ordination. Von dieser Glaubenszusage lasse ich mich über große und kleine Schwellenmomente tragen.  


Der Segen Gottes begleitet uns alle, liebe Gemeinde, bei Abschieden und Neuanfängen. 
Und immer wieder dürfen wir uns segnen lassen: Am Wochenanfang, nach einer Geburt, zum Beginn der Schulzeit, am Anfang einer Ehe, zu Beginn des Ruhestandes, am Übergang zum Leben in Gottes ewigem Reich. Der Auferstandene segnet uns für die großen und kleinen Aufbrüche unseres Lebens. In diesem Vertrauen dürfen wir erfüllt von der Geistkraft, die in uns wohnt, wirksam Gemeinde sein.  


Ihre Ann-Kristin Scholl

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